Rechtssichere bzw. rechtskonforme Übersetzung?
Sie sollten sehr skeptisch werden, wenn Ihnen ein Anbieter eine „rechtssichere oder rechtskonforme Übersetzung“ zusichert. Der Fachmann weiß sofort, dass es sich hier nicht um einen seriösen und juristisch versierten Anbieter handeln kann, da es schlicht und einfach unmöglich ist, einfach nur von einem Rechtssystem eines Landes ins Rechtssystem eines anderen zu „übersetzen“ und dabei eine „rechtssichere“, also rechtlich verbindliche und mit dem jeweiligen Rechtssystem vereinbare, Lösung zu bieten. Die Aufgabe einer juristischen Übersetzung besteht darin, den Inhalts von einer Sprache verständlich und klar, vollständig und in möglichst dem Ausgangstext entsprechender Weise in eine andere Sprache (was bei mit einander unvereinbaren Rechtskonzepten in den unterschiedlichen Ländern eine Herausforderung darstellt, die manchmal nur durch Umschreibung zu leisten ist) zu übertragen und nicht darin, einen rechtskonformen Vertrag in einer anderen Sprache, mit einem komplett anderen Rechtssystem, aufzusetzen, der möglichst so klingt als hätte ein Jurist im Zielland den Vertrag „muttersprachlich“ erstellt. Diese Leistung kann nicht in Form einer juristischen Übersetzung erbracht werden und stellt vielmehr eine Form von Vertragsgestaltung und Rechtsberatung dar, die nur von Angehörigen der rechtsberatenden Berufe geleistet werden kann. Bei Beteiligung von Fremdsprachen auch hier nur in begrenztem Maße, weil ein Rechtsanwalt bei der Erstellung einer rechtssicheren oder rechtskonformen fremdsprachlichen Fassung zusätzlich zur Beherrschung der Fremdsprachen- und Übersetzungskompetenz für das jeweilige Zielland als Rechtsanwalt zugelassen sein müsste.
Folgende Leistungen gehören zur Leistungsbeschreibung einer „juristischen Übersetzung“
1) Für Anwälte
Es ist möglich, von einer Sprache in eine andere zu übersetzen, also z. B. eine „convenience translation“ (unverbindliche Fassung) von einem in deutscher Sprache für deutsches Recht erstellten Vertrags zu erstellen (und umgekehrt). Übersetzungen von Begriffen eines Rechtssystems, für die es keine unmittelbare Entsprechung in der Zielsprache gibt, können so formuliert werden, dass sie in einer anderen Sprache, trotz des unterschiedlichen Rechtssystems, bestmöglich (notfalls als Annäherung an das Rechtskonzept mit Erklärungen) verstanden werden, so dass der Leser, sprachlich betrachtet, weiß, was in dem Vertrag steht und ggf. auf zu klärende Punkte aufmerksam gemacht wird. Für die Erarbeitung der Begriffe in der Übersetzung ist eine gründliche Recherche und Sensibilisierung für die Unterschiede der beiden Rechtssystemen erforderlich, da Wörterbücher hier größtenteils unzuverlässige Übersetzungen widergeben. Eine Rechtsberatung ersetzt die fremdsprachliche Version dennoch nicht. Wenn ein deutschsprachiger Nichtjurist einen deutschen Vertrag für deutsches Recht vorgelegt bekommt, würde er dennoch vor Unterzeichnung den Rat eines Rechtsanwalts einholen, um zu verstehen, was genau die rechtliche Relevanz und Konsequenz dieses Vertrags für ihn ist, also „auf was genau er sich da einlässt“. Obwohl ein deutscher Nichtjurist der deutschen Sprache mächtig ist, würde er der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns entsprechend den Rat eines Rechtsanwaltes einholen, bevor er einen deutschen Vertrag unterzeichnet. Als Nichtjurist weiß man trotz der Sprachbeherrschung oft nicht, welche rechtlichen Auswirkungen eine bestimmte Regelung in einem Vertrag haben kann. Dies sollte vor Unterzeichnung jedoch unbedingt abgeklärt werden.
Man muss sich außerdem dessen bewusst sein, dass die Rechtssysteme verschiedener Länder nicht mit einander kompatibel sind. Es wäre somit noch nicht einmal möglich, einen für deutschen Vertrag erstellten Vertrag einfach so in Österreich zu verwenden, trotz der identischen Amtssprachen. Zwar werden in beiden Ländern die gleichen Sprachen gesprochen, aber das Rechtssystem der beiden Länder unterscheidet sich komplett und auch die Begriffe der diversen Länder klingen bisweilen für die Anwälte dieser Länder sehr ungewohnt, trotz der Vertrautheit mit der Sprache an sich. Der Inhalt des deutschen Vertrags würde zwar grundsätzlich auch in Österreich verstanden, aber die rechtliche Relevanz und Kompatibilität und verwendeten Begriffe unterscheiden sich aufgrund der unterschiedlichen Rechtssysteme komplett. Ein deutscher Vertrag ist nicht unmittelbar mit österreichischem Recht kompatibel. Deshalb ist es stets Aufgabe eines Rechtsanwalts im Empfängersystem, den für ein bestimmtes Rechtssystem bestimmten Vertrag entsprechend zu überarbeiten und an das Rechtssystem des Landes anzupassen, also hier zum Teil einen komplett neuen Vertrag aufzusetzen, um an die Gesetze und Konventionen des Ziellandes anzupassen. Denn wichtig für die „Rechtssicherheit“ oder „Rechtskonformität“ oder „rechtliche Verbindlichkeit“ ist nicht nur der Wortlaut, sondern der Abgleich mit dem in dem jeweiligen Land geltenden Recht. Die Anfertigung einer „rechtssicheren“ oder „rechtskonformen“ Fassung bedeutet aber unter Umständen eine komplette Umstellung des Inhalts und nicht nur kleinere Anpassungen an einzelnen Formulierungen. Während ein deutscher Vertrag (der deutschen Mentalität und dem kodifizierten Recht entsprechend) sehr kurz gehalten wird, sind Common Law-Verträge (aufgrund des nicht kodifizierten Rechts) sehr umfangreich und erhalten „Definitionen“ von sämtlichen relevanten Begriffen, während man im deutschen Recht z. B. einfach auf das BGB als Grundlage verweisen kann.
2) Für Firmen
Wenn es um das Ziel der Erstellung einer „zu unterzeichnenden rechtsverbindlichen Fassung“ in einer Fremdsprache geht (Stichwort: Rechtswahl): Es ist möglich, eine Übersetzung eines Vertrags als Grundlage für die Erstellung eines Vertragsentwurfs in einer anderen Sprache für ein bestimmtes Land zu erstellen. Durch diese Fassung versteht z. B. der Anwalt im Zielland, worum es dem Mandanten geht und er kann diese Fassung als Grundlage für die Erarbeitung des Vertrags in einem fremden Rechtssystem nutzen. Eine übersetzte Fassung eines Vertragsentwurfs, die für ein anderes Rechtssystem erstellt wurde, muss vor Verwendung im Zielland jedoch unbedingt von einem Rechtsanwalt im Zielland auf die Rechtskonformität überprüft werden und an die jeweiligen landesspezifischen Gegebenheiten angepasst werden. Alles andere ist ein unkalkulierbares Risiko, für das niemand haften kann. Rechtssysteme sind ebenso wie Mentalitäten der diversen Länder historisch geprägt. Aufgrund der Mentalität kann eine Aussage, die in einem Land klar ist, in einem anderen Land gegebenenfalls komplett missverstanden oder zumindest anders verstanden werden und auch die Gerichte ticken nicht überall gleich. Was für einen Menschen aus einem Rechtssystem klar ist, ist für einen aus einem anderen Rechtssystem stammenden Menschen unter Umständen unklar oder er hat eine komplett andere Auffassung von dem scheinbar „gleichen“ oder „ähnlichen“ Begriff. Auf der Grundlage unterschiedlicher Ausgangsbedingungen haben sich im Laufe der Jahrhunderte in den Ländern komplett unterschiedliche Systeme ergeben. Zwar gibt es z. B. englische Übersetzungen von deutschen Gesetzen. Die darin genannten Konzepte bereiten jedoch einem englischen und amerikanischen Juristen „Kopfzerbrechen“ und die Formulierungen klingen für ihn bisweilen seltsam bis widersprüchlich bzw. dem geltenden Recht widersprechend. Egal wie gut diese Gesetze übersetzt sein mögen, sie klingen nicht „muttersprachlich“ und die Rechtssysteme und -konzepte sind nicht mit einander kompatibel, deshalb kann sich eine fremdsprachliche Fassung niemals wie ein Text lesen, der von einem Anwalt speziell für das Zielland aufgesetzt wurde – und genau das wäre eine rechtssichere oder rechtskonforme „ÜBERSETZUNG“ dem Wortsinn nach. Eine solche Leistung stellt eine Form der „Rechtsberatung“ dar. In Deutschland ist die außergerichtliche Rechtsberatung durch das Rechtsdienstleistungsgesetz gesetzlich reglementiert, das zum 1. Juli 2008 das Rechtsberatungsgesetz abgelöst hat. Nur ein Anbieter, der als Anwalt sowohl im Ausgangs- als auch im Zielland zugelassen ist und beide sprachen auf höchstem Niveau beherrscht bzw. auf dem Internationalen Privatrecht tätig ist sowie auch mit dem Übersetzungshandwerk vertraut ist, könnte Ihnen theoretisch eine „rechtssichere / rechtskonforme“ UMWANDLUNG eines Vertragstextes von einer Sprache in die andere zusichern. Dies bedeutet jedoch nicht nur den Wortlaut von einer Sprache in eine andere zu übertragen, sondern den kompletten Vertrag so umzuschreiben – sowohl in puncto Wortlaut als auch in puncto Struktur – dass es dem Recht des Ziellandes entspricht. Es ist also gegebenenfalls erforderlich, einen neuen Vertrag in veränderter Form, Struktur und Umfang in der Zielsprache für das Zielland aufzusetzen.
Es ist genaugenommen selbst ein Ding der Unmöglichkeit, eine „rechtskonforme / rechtssichere“ Fassung eines deutschen Vertrags für deutsches Recht in englischer Sprache zu erstellen (also nicht bloße „convenience translation“), weil die Begriffe in der englischen Sprache immer nur eine verständliche Fassung des deutschen Ausgangstextes darstellen, aber vor deutschen Gerichten ohne Rückübersetzung ins Deutsche bzw. Verweis auf die deutschen Begriffe im Original nicht verwendet werden können. Für das deutsche Recht ausschlaggebend sind die deutschen Rechtsbegriffe und Legaldefinitionen, darauf stützt sich das Gericht in seinen Urteilen. Eine Übersetzung kann somit immer nur dem Verständnis dienen, aber nicht selbst „rechtssicher“ oder „rechtskonform“ sein.
3) Für Behörden
Um die Glaubwürdigkeit einer Übersetzung für einen Leser zu erhöhen bzw. für amtliche Zwecke gibt es „beglaubigte Übersetzungen“. Mit einer beglaubigten Übersetzung sichert Ihnen der Übersetzer zu, vollständig und gewissenhaft zu übersetzen und bestätigt dies mit seiner Unterschrift und einer „Beglaubigungsformel“. Diese Form eignet sich z. B. für Behörden oder Personen, die eine Zusicherung haben wollen, dass der Ausgangstext ordnungsgemäß übertragen wird. Dies dient der Glaubwürdigkeit einer Übersetzung. Öffentlich bestellte Übersetzer werden ungeachtet des Fachgebiets bestellt, d.h. auch ein Übersetzer, der auf Technik spezialisiert ist oder ein Generalist ist, kann Ihnen theoretische eine beglaubigte Übersetzung eines Rechtstextes anfertigen. Aber, stellen Sie sich vor, wenn Sie z.B. ein besonderes medizinisches Problem haben, würden Sie da nicht auch eher zum Spezialisten als zum Generalisten gehen?